Integration der Schlüssel für ein friedvolles Zusammenleben Eine Geschichte von Flucht und Integration

Mettmann · Noch älter als die Partnerschaft Mettmanns mit der französischen Stadt Laval, die seit 50 Jahren besteht, ist die Patenschaft mit dem ehemals ostpreußischen Kreis Angerapp, dem heutigen Osjorsk, das zu Russland gehört.

Die langjährige Vorsitzende Edeltraut Mai (2. v. l.) hat nach dem plötzlichen Tod von Helmut Funder (l.) wieder den Vorsitz der Kreisgemeinschaft Angerapp übernommen. Beide waren im März zusammen mit Bettina Schöpgens-Cohrs (r.) zu Besuch bei Bürgermeisterin Sandra Pietschmann.

Foto: Kreisstadt Mettmann

Am 3. Oktober 1948 hatten sich ostpreußische Gruppen in Hamburg zusammengeschlossen und riefen die Landsmannschaft Ostpreußen ins Leben. Auch der Kreis Angerapp war darin vertreten. Die Landsmannschaft Ostpreußen bemühte sich, im Westen Deutschlands Patenschaften für die ostpreußischen Städte zu finden. Im Jahr 1954 – im Jahr der 1050-Jahrfeier – beschloss der Rat der Stadt Mettmann, die Patenschaft über die Stadt Angerapp zu übernehmen. Ein Jahr später wurde sie auf den Kreis Angerapp ausgedehnt. Mettmann wurde fortan zum Treffpunkt für die ehemaligen Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt und des Kreises Angerapp. Alle zwei Jahre trafen sie sich zur Kreisversammlung in Mettmann. Es gab die Angerapper Heimatstube im Stadtgeschichtshaus, eingerichtet mit vielen Erinnerungsstücken, die die Menschen in ihrem Fluchtgepäck dabeihatten. Beides ist inzwischen Geschichte.

Die Treffen finden schon seit Jahren nicht mehr in Mettmann statt, weil den zumeist älteren Mitgliedern der Kreisgemeinschaft, die größtenteils in Norddeutschland leben, die Reise nach Mettmann zu beschwerlich geworden ist. Die Treffen finden deshalb nur noch im norddeutschen Raum statt. Die Angerapper Heimatstube wurde 2017 aufgelöst, weil es niemanden mehr gab, der sich darum kümmern, der Besucher durch die kleine Ausstellung führen konnte. Die Ausstellungsstücke wurden auf das Ostpreußische Landesmuseum in Lüneburg und das Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen verteilt. An das 70-jährige Bestehen der Patenschaft mit Mettmann ist beim Jahrestreffen der Kreisgemeinschaft im niedersächsischen Handeloh erinnert worden. Bürgermeisterin Sandra Pietschmann hatte im Namen von Rat und Verwaltung herzliche Grüße übermittelt. Drei Vorstandsmitglieder der Kreisgemeinschaft waren Anfang des Jahres zu Besuch bei Bürgermeisterin Pietschmann, um ihr den neuen Kreisvertreter (Vorsitzenden) Helmut Funder vorzustellen. Im Gespräch ging es unter anderem um die Zukunft der Kreisgemeinschaft, deren Mitgliederzahl von Jahr zu Jahr kleiner wird. Kinder und Enkelkinder hätten andere Interessensschwerpunkte.

Die Verbindung zur Heimat der Eltern oder Großeltern bestehe nur noch durch die Familiengeschichte, berichteten Helmut Funder, Edeltraut Mai und Bettina Schöpgens-Cohrs. Ihre Geschichte von Vertreibung und Flucht stehe auch beispielhaft für eine gelungene Integration, betonte Bürgermeisterin Pietschmann. Als Heimatlose hätten sie Aufnahme, Schutz und Unterstützung in ihrer neuen Heimat erfahren. Nicht nur ihre ostpreußische Geschichte, sondern auch diese Geschichten sollten sie nachfolgenden Generationen mit auf den Weg geben. Denn sie machten deutlich, dass Integration der Schlüssel für ein friedvolles Zusammenleben ist. Vor kurzem erreichte die Stadt die traurige Nachricht, dass der Vorsitzende der Kreisgemeinschaft, Helmut Funder, plötzlich und unerwartet verstorben ist. Deshalb hat Edeltraut Mai nun wieder die Geschäfte kommissarisch übernommen, „da leider niemand bereit ist, den Vorsitz zu übernehmen. Sie fühlen sich dafür alle zu alt“, so Edeltraut Mai.