Lockdown-Lockerungen Ein kleines Licht am Ende des Tunnels
Mettmann · Am Montag durften die Geschäfte auch in Mettmann unter strengen Auflagen wieder öffnen. Ein wichtiger Schritt nach vorn nach elf Wochen Lockdown. Doch in die Freude über den Neustart mischt sich auch Skepsis.
„Fühlt sich gut an“, sagt Martina Michalke und lacht. Drei Kundinnen hatte die Inhaberin der Damenmode-Boutique Frieda’s am vergangenen Montag, dem ersten Tag, an dem sie wieder öffnen durfte – nach elf Wochen. So wie sie empfinden derzeit viele Geschäftsleute: endlich wieder arbeiten, Kunden empfangen, sie beraten, Geld verdienen. Ein Silberstreif am Horizont. Die Öffnungen freilich gehen mit strengen Auflagen einher: Hygiene natürlich. Maskenpflicht, klar. Und in den meisten Fällen müssen die Kunden einen Termin für ihren Besuch vereinbaren. „Click and meet“ nennt sich das System. Immerhin – es bewegt sich etwas.
„Das muss jetzt nur noch bei den Kunden ankommen“, sagt Martina Michalke, „und dann auch angenommen werden.“ Sie baut auf ihre Stammkundschaft und auf ihre eigene Flexibiliät, die sie schon in der Zeit der Schließung unter Beweis gestellt hat, indem sie beispielsweise immer mal wieder Stücke aus ihrem Sortiment in Sozialen Medien präsentiert hat. „Ich habe möglich gemacht, was ich konnte“, erzählt sie. Natürlich habe der Lockdown in wirtschaftlicher Hinsicht weh getan. Und auch mit der momentanen Regelung könne sie sicherlich nicht zu dem Umsatz zurückkehren, den sie vor der Pandemie gemacht hat. Aber immerhin sei die Situation für sie und ihr Geschäft nicht existenzbedrohend. Sie habe entsprechende Rücklagen. „Da sind andere viel schlechter dran“, sagt sie. Andererseits hat die Modebranche insgesamt unter der Pandemie stark gelitten. Anfassen und anprobieren – das spielt in dieser Branche eine entscheidende Rolle. Geht nun wieder.
Die Kundinnen kommen bei Frieda’s durch die neue Regelung sogar in den Genuss eines ganz besonderen Einkaufserlebnisses, haben das Geschäft und fachkundige Beratung quasi exklusiv. Aber wie groß ist die Sorge, dass es sich womöglich nur um eine temporäre Erleichterung handelt? Martina Michalke: „Ein bisschen Angst habe ich schon vor einem dritten Lockdown. Aber ich bin optimistisch und glaube und hoffe, dass es nun Schritt für Schritt voran geht.“
„Es ist gut, dass wir wieder da sind“, sagt Mustafa Duran, Inhaber des Juweliergeschäfts Istanbul. Fünf Kunden hatte er am vergangenen Dienstag, dem zweiten Tag der Öffnung, alle mit vorheriger Anmeldung, versteht sich. Auch er glaubt, dass sich die Menschen nun erst einmal an die neue Situation gewöhnen müssen und dann vermehrt die Möglichkeit für einen Besuch wahrnehmen. Der wirtschaftliche Verlust seit März letzten Jahres sei beträchtlich, erzählt Mustafa Duran, insbesondere, weil das Weihnachtsgeschäft weggefallen sei. Teilweise wurde das Defizit durch staatliche Unterstützung aufgefangen. Den Kopf hängen lassen wollte er aber auch in der Zeit der Geschäftsschließung nicht. Stattdessen hat er sie genutzt, um das Ladenlokal auf Vordermann zu bringen: „Wir haben komplett renoviert.“ Darüber hinaus möchte er sich für die Zukunft besser aufstellen, indem er zusätzlich zum persönlichen Verkauf im Geschäft einen Online-Shop für seine Stücke einrichtet. Ist derzeit in Arbeit und in zwei bis drei Wochen startklar. „Wir haben aus der Situation unsere Lehren gezogen“, sagt Mustafa Duran. Und eines steht für ihn fest: „Wir sind seit 20 Jahren hier in Mettmann. Und wir werden auch diese Krise überstehen.“
Die wirtschaftliche Situation und auch die emotionale Verfassung stellen sich bei den Geschäftsleuten und deren Angestellten durchaus unterschiedlich dar. Das ist natürlich auch eine Frage der Branche.
„Ich fühle mich im Moment grenzenlos überfordert“, sagt Bernd Wychlacz, Inhaber des Reisebüros art reisen. Das hängt gar nicht vornehmlich damit zusammen, dass er zu viel arbeiten müsste, obwohl er tatsächlich eine Menge zu tun hat und auch tut, um sich für die Zukunft, zum Beispiel im digitalen Bereich, aufzustellen. Vielmehr liegt es daran, dass die Reisebranche derzeit am Boden liegt. Und besonders sind all jene betroffen, deren Kerngeschäft bislang die Fernreisen waren. „Wir haben ja praktisch Berufsverbot“, so Bernd Wychlacz. Sein Umsatzverlust liegt bei 90 Prozent.
Dennoch, sagt er, sei der finanzielle Schaden verkraftbar, dank seiner Rücklagen, die er in besseren Zeiten erwirtschaftet hat und dank auch der Hilfen vom Staat, die bei ihm anstandslos geflossen sind. „Ich bin froh, dass ich in Deutschland lebe“, sagt er, „wo das gut funktioniert.“ Gleichwohl leidet er ganz persönlich unter der Situation: Herausgerissen zu werden aus dem Alltag, plötzlich keine Aufgabe mehr zu haben, den persönlichen Kontakt zu den Kunden zu verlieren. Er ist auch während der Zeit der Geschäftsschließung jeden Tag ins Büro gegangen, von 10 bis 13 Uhr saß er an seinem Platz, „weil ich meine Struktur beibehalten wollte“, so Bernd Wychlacz. Er hat in dieser Zeit viel in den sozialen Medien gepostet, damit er mit seinem Geschäft sichtbar bleibt.
Auch hat er Kontakte hergestellt mit anderen Reisebüro-Inhabern, um die Möglichkeit von Zusammenarbeit auszuloten; um Synergien zu schaffen. Jetzt sind er und seine Mitarbeiterin Claudia Scholand wieder am Start. Auch sie dürfen bei vorheriger Anmeldung Kunden empfangen. Doch bis vergangenen Dienstag hatte sich noch niemand angekündigt. Natürlich hofft die Branche, dass die Reisebeschränkungen bald gelockert werden und das Geschäft wieder anzieht. Aber Bernd Wychlacz geht davon aus, dass es ein Zurück zum Zustand vor der Pandemie nicht geben wird, dass die gesamte Branche sich wandelt und all jene, die in ihr tätig sind, sich anpassen müssen. „Wir müssen die Leute anders abholen“, sagt Bernd Wychlacz, „nur in den Reisebüros zu hocken, reicht nicht mehr.“
Deshalb will auch er in Zukunft stärker zweigleisig fahren. Mit digitalen Angeboten und dem persönlichen Kontakt im Reisebüro. Bernd Wychlacz: „Ich habe wirklich viele lohnenswerte Angebote für tolle Reisen, die ich den Menschen gerne präsentieren möchte.“ Am liebsten natürlich persönlich, in seinem Reisebüro.
„Das fühlt sich heute eigentlich an, wie ein ganz normaler Dienstag“, sagt Mechthild Plante-Lutat, Mitarbeiterin in der Buchhandlung Rose Schlüter in der Galerie Königshof, und fügt hinzu: „Es ist für uns eine große Freude, dass die Menschen jetzt wieder reinkommen und stöbern können. Und dass wir sie wieder beraten können. Das hat gefehlt.“
In der Buchhandlung geht das sogar ohne Termin. Allerdings dürfen sich nur fünf Kunden gleichzeitig im Geschäft aufhalten. Ansonsten gelten die gleichen Vorsichtsmaßnahmen wie für alle anderen Geschäfte. Auch in der Zeit der Schließung hat die Buchhandlung weiter verkauft, viele Kunden haben online bestellt.
Bücher wurden abgeholt oder auf Wunsch auch nach Hause geliefert. Natürlich gab es auch hier Umsatzeinbußen, insbesondere durch das verlorene Weihnachtsgeschäft, aber immerhin: der Betrieb lief weiter. Man müsse eben Bücher nicht anprobieren wie Kleider oder daran schnuppern wie an Parfüm, sagt Mechthild Plante-Lutat, das sei ein Vorteil für die Branche. Und: „Viele Menschen haben das Lesen jetzt neu für sich oder wieder entdeckt, weil es im Moment viel weniger Freizeitmöglichkeiten gibt.“