Corona-Pandemie Endlich wieder müde ins Bett fallen
Mettmann · Nach zehn Wochen Schneidepause durften Friseure in dieser Woche wieder an die Arbeit. Die Freude bei Personal und Kunden war groß. Doch angesichts steigender Inzidenzzahlen schwingt auch etwas Ungewissheit mit.
Das Telefon stand kaum still in den Tagen vor und nach der Öffnung. „Ich hatte das Gefühl, dass ganz NRW einen Haarschnitt braucht“, sagt Friseurmeister Axel Heinrichs und fügt hinzu: „Gefühlt habe ich etwa 2000 Telefongespräche geführt.“ Nach zehn Wochen Lockdown durften am vergangenen Montag die Friseure ihre Salons wieder öffnen, in Mettmann sind das 47 Betriebe. Die Freude darüber, endlich wieder an die Arbeit gehen zu dürfen, ist bei Angestellten und Inhabern verständlicherweise groß.
„Es ist schön, wieder eine Aufgabe zu haben, abends mal wieder müde ins Bett zu fallen mit dem Gefühl, etwas geleistet zu haben“, erzählt Axel Heinrichs. Gleich am ersten Tag haben er und seine Mitarbeiter rund 40 Kunden bedient, natürlich unter Berücksichtigung der geltenden Auflagen: Im Salon herrscht Maskenpflicht, zwischen den Stühlen befinden sich Trennscheiben, nach jedem Kunden wird der Platz desinfiziert.
Überstunden werden derzeit gern in Kauf genommen, als Öffnungszeit gibt der Friseurmeister „Ende offen“ an: „Wir wollen niemanden enttäuschen und geben Vollgas.“ Den ersten Termin hat Axel Heinrichs auf Facebook versteigert, 60 Euro kamen dabei zusammen. Mit Spenden der Kunden erhöhte sich der Betrag auf 180 Euro und Heinrichs selbst verdoppelte noch einmal auf 360 Euro. Das Geld will er der Tafel Mettmann zukommen lassen. Solidarität, sagt er, sei in dieser Zeit besonders wichtig. Immerhin, seine eigene wirtschaftliche Situation beschreibt er als gefestigt, er habe privat vorfinanziert und über Jahre gute gewirtschaftet, das komme ihm nun zugute. Außerdem habe er rechtzeitig die Fixkosten runter gefahren, beispielsweise indem er das Firmenfahrzeug ausgegliedert hat oder indem er mit seinem Vermieter sprach, um die Kosten für die Räumlichkeiten der Situation anzupassen.
Gleichwohl stehe von März, dem Beginn des ersten Lockdowns, bis heute ein Umsatzverlust von über 100.000 Euro zu Buche, teilweise aufgefangen durch Kurzarbeit und Hilfe vom Staat. Wann letztere fließt und wie hoch sie am Ende ausfällt stehe allerdings noch in den Sternen. Auch Friseurmeister Dieter Asheuer hat sich, abgesehen von der Kurzarbeit für seine zwei Angestellten, bislang ohne staatliche Unterstützung durchgekämpft. Er betreibt einen Salon auf der Nourneystraße, schneidet den Mettmannern seit 59 Jahren die Haare, 1972 hat er sich selbstständig gemacht. Die Zeit der Schließung empfand er als bedrückend, „mir fehlte die Motivation“, erzählt er, „man hatte zu nichts Lust.“
In den langen Wochen des Lockdowns hat er von seinen Rücklagen gezehrt. „Wenn ich die nicht gehabt hätte, sähe die Sache für mich jetzt nicht sonderlich rosig aus“, erzählt der 73-Jährige und betont: „Viele Kollegen in unserer Branche haben aber diese Möglichkeit nicht. Die leben von der Hand in den Mund. Und für die ist es richtig schwer.“ Nicht zuletzt deshalb freut sich Dieter Asheuer darüber, dass er und seine Kollegen nun endlich wieder Geld verdienen dürfen.
Wobei sowohl er als auch Axel Heinrich betonen, dass sie es noch schöner fänden, wenn das auch für andere Branchen, beispielsweise die Gastronomie gelten würde. Und wie sieht es angesichts steigender Inzidenzzahlen mit der Sorge vor einer neuerlichen Schließung der Salons aus? „Diese Gedanken macht man sich natürlich“, sagt Axel Heinrichs, „aber für mich zählt jetzt erstmal die Gegenwart.“ Negative Einflüsse möchte er jetzt erstmal nicht an sich ranlassen. „Ich kann jetzt arbeiten und Menschen glücklich machen. Und wenn es wieder eine neue Schließung gibt, dann ist das so.“