Ökumenischer Jahresempfang mit Vortrag von Prof. Dr. Mouhanad Khorchide Ist der Islam dialogfähig?
Mettmann · „Wie dialogfähig ist der Islam?“ Unter diesem Titel stand ein Impulsvortrag anlässlich des ökumenischen Jahresempfangs in der evangelischen Kirche.
Um 19.30 Uhr sollte der Vortrag von Prof. Dr. Mouhanad Khorchide anlässlich des ökumenischen Jahresempfangs beginnen. Die evangelische Kirche in der Freiheitstraße war fast bis auf den letzten Platz besetzt, aber das Publikum musste sich noch eine Zeit gedulden. Khorchide steckte im Stau. Damit kennen die Mettmanner sich aus und nahmen es gelassen. Bevor der Referent dann mit seinem Vortrag begann, gab es eine musikalische Einlage von Kioomars Musayyebi auf „dem Hackbrett“, wie Monsignore Herbert Ullmann das Instrument auf dem Musayyebi spielt, scherzhaft nannte.
Später verriet Kioomars Musayyebi, dass das Instrument, das gleichzeitig fremd und vertraut klingt, als wenn Xylophon und Zitter sich zu einer Melodie vereinen, die „Santur“ ist. Musayyebi ist in Teheran geboren, absolvierte ein Masterstudium am Centre for World Music in Hildesheim und hat sich als Musiker und Komponist einen Namen gemacht. Nach den faszinierenden Klängen war es schließlich soweit. Monsignore Ullmann kündigte den Mann an, der sich dafür einsetzt, dass sich der Islam „von unten“ reformiert. Prof. Dr. Mouhanad Khorchide ist Leiter des Zentrums für Islamische Theologie und Professor für Islamische Religionspädagogik an der Uni Münster. Er entschuldigte sich kurz für die Verspätung und begann mit seinem Impulsvortrag unter dem Titel „Wie dialogfähig ist der Islam?“
Er sprach schnell, leise und mit leichtem Wiener-Dialekt. In der Kirche war es still. Jeder lauschte den Worten des Mannes, dessen Dissertation in Österreich großen Diskurs auslöste, der sich Protesten islamischer Verbände ausgesetzt sah und schließlich sogar unter Polizeischutz gestellt werden musste. In Mettmann sprach er von der monologischen und dialogischen Theologie und erklärte, dass monologische Theologie bedeuten würde, dass Gott den Menschen erschafft, weil es ihm um sich selbst gehe und der Mensch funktionalisiert würde. Das Wort Gottes wäre in diesem Fall eine klare Gesetzgebung für die Ewigkeit.
Die Bedeutung in der dialogischen Theologie hingegen sei, dass Gott Menschen erschafft, die er liebt und die ihn lieben. „Gott ist immer, wenn etwas größer ist, als wir es begreifen können“, erklärte Khorchide und während er sprach verschwammen für die Zuhörer die möglichen Unterschiede zwischen Bibel und Koran, zwischen Christentum und Islam. Liebe und Barmherzigkeit wiederholen sich auch im Koran, führte er aus. „Leider sprechen wir Muslime zu wenig davon“, sagte Khorchide.
Ein Gott der Liebe sei der Gott der Christen, ein Gott der Liebe sei schwach, so die Sicht vieler Muslime. Er sprach von den Problemen, die die Wort für Wort Auslegung des Koran mit sich bringen. Und er sprach über die Frage der Identität und des Selbstbewusstseins, vieler junger Muslime, die sich zwar oft mehr als ihre Eltern, die in erster Generation nach Deutschland kamen, mit dem Islam identifizieren, aber nur wenig darüber wissen.
Er sprach auch davon, dass die Angst der Deutschen vor den Muslimen dort am größten sei, wo die wenigsten Muslime leben. „Wir brauchen Räume der Begegnung“, forderte er. Die evangelische Kirche war zum ökumenischen Jahresempfang ein solcher Ort der Begegnung und diese Begegnung wird den Teilnehmern, die im Anschluss im Gemeindezentrum noch Gelegenheit hatten, sich auszutauschen und ein paar Worte mit dem Referenten zu wechseln, sicher noch lange in Erinnerung bleiben.
Zur Person: Mouhanad Khorchides Großeltern flohen einst von Pälestina in den Libanon. Dort wurde er 1971 geboren. Später zogen seine Eltern mit ihm und seinen Geschwistern nach Saudi-Arabien, wo Khorchide die Schule besuchte und auch Deutsch lernte. Als 18-jähriger beginnt er sein Studium in Wien. Als staatenloser Ausländer hatte er für Deutschland kein Visum erhalten.
Er studierte Soziologie und im Fernstudium an der Universität Imam al-Auzāʿ in Beirut islamische Theologie. Seine Doktorarbeit widmet er dem islamischen Religionsunterricht. Als sich bei der Auswertung seiner Fragebögen herausstellte, dass viele der Islamlehrer in Österreich weder eine pädagogische noch eine theologische Ausbildung genossen hatten und 30 Prozent von ihnen rechtsstaatliche Prinzipien ablehnten, verzichtete er auf eine Veröffentlichung.
Über ein Belegexemplar in der Staatsbibliothek gerieten die Ergebnisse schließlich doch in die Öffentlichkeit und Khorchide sah sich Anfeindungen und Drohungen aus der islamischen Gemeinde ausgesetzt. 2010 kam er nach Münster. Er ist Autor zahlreicher Bücher. „Islam ist Barmherzigkeit“, „Der andere Prophet – Jesus im Koran“ oder „Ist der Islam noch zu retten?“ sind nur einige Titel.