Bewegte Kirchengeschichte
Mettmann · 50 Jahre alt ist die Evangelische Freikirchliche Gemeinde in Mettmann in diesem Jahr geworden. 50 Jahre über die es viel zu erzählen gibt.
(RG) Wer zum Jubiläum eine glorreiche Festschrift erwartet hatte, wurde enttäuscht. Ein halbes Jahrhundert feiert man an der Bahnstraße bunt und gemeinsam, aber schlicht ohne große Außendarstellung. Auch der Raum, in dem der Gottesdienst abgehalten wird, ist vergleichsweise schmucklos und funktionell. Den Stein aus vermutlich schwarzem Granit, der den Schriftzug der Gemeinde trägt, durften Kinder Buchstabe für Buchstabe bunt anmalen. Auch das schlichte Kreuz, das draußen als Zeichen für die Glaubensgemeinschaft steht, ist bunt umstrickt und dient als Zeichen für die Vielfalt der Gemeinschaft.
Zum 50jährigen wird der Raum, in dem der Gottesdienst abgehalten wird, anschließend kurzerhand umgeräumt, damit die Anwesenden zur Grill-Mahlzeit platznehmen können. Hier herrscht eine Willkommenskultur, die man an diesem Tage schon beim ersten Schritt ins Gebäude wahrnimmt. Sehr viele Afrikaner feiern dieses Jubiläum mit. Flüchtlinge, die in einer Gemeinschaft ehemals geflohener aufgenommen wurden. Die Glaubensgemeinschaft TOV (Thron of Victory) hat hier einen eigenen kleinen Platz für sich gefunden. Die Gottesdienste an der Bahnstraße werden inzwischen mit Hilfe von Dolmetschern ins Englische und in Farsi übersetzt. Dafür wird für jeden Gottesdienst vorab ein Script erstellt, mit dem eine möglichst nahe Übersetzung gelingen soll. Aber auch andere Nationen mischen sich unter die Gemeindemitglieder. Integration ist hier ganz offensichtlich gelebter Alltag. "Anonym bleiben geht bei uns nicht." erklärt mir Gemeindeleiter Klaus Fechner, der sein Amt einer urdemokratischen Wahl zu verdanken hat und setzt fort "Zeit für eine Tasse Kaffee nach dem Gottesdienst oder bei einem Besuch sollte jeder mitbringen."
Die evangelische freikirchliche Gemeinde in der Bahnstraße hat sich aus einer Flüchtlingsgemeinschaft aus Ostpreußen entwickelt, die Mitte der fünfziger Jahre nach Mettmann kam. In den ansässigen Kirchen fanden sie sich in ihrem Glauben, in dem Jesus die zentrale Rolle spielt, nicht wieder. Getauft werden bei den Baptisten, anders als in unserer evangelischen oder katholischen Kirche, nicht die Kinder, sondern Jugendliche oder Erwachsene. Jeder entscheidet selbst, wann für ihn der richtige Moment für dieses besondere Ereignis gekommen ist. Taufen heißt hier 'eintauchen‘ und so gibt es ein Taufbecken, das mit körperwarmem Wasser gefüllt wird und in dem jeder Mensch diese ganz besondere Glaubenserfahrung für sich machen kann.
Die Baptisten entwickelten Mitte der fünfziger Jahre eine eigene kleine Gemeinde, die räumlich schnell an ihre Grenzen stieß. In Wuppertal entstand dann eine größere Gemeinde. Zur Mettmanner Gemeinde gehörte ein Busfahrer, der die Transporte zu den Gottesdiensten für 50 bis 60 Menschen sicherstellen konnte. Aber irgendwann wurden es mehr Gemeindemitglieder und der Bus reichte nicht mehr aus. Die Gemeinde in Mettmann machte sich auf die Suche nach Räumlichkeiten, die sie schließlich in der Bahnstraße in der ehemaligen Landwirtschaftskammer fand. Ursprünglich war das Gebäude einmal eine Unternehmervilla, erbaut Anfang 1900. Anfangs zur Miete und später in Eigentum erweitere die Gemeinde den Bau schließlich. Heute gibt es hinter dem Raum, in dem der Gottesdienst stattfindet, einen abgetrennten Raum mit großer Glasscheibe und kleinen Boxen für die Tonübertragung. Hier befindet sich ein Kinderspielbereich, damit Eltern kleinerer Kinder am Gottesdienst teilnehmen können. Überhaupt gibt es viele Details, die vom Gemeinschaftssinn zeugen. Ein Schrank, der im Eingangsbereich als Give-Box fungiert, eine 'Poststelle‘ mit vielen Fächern, in denen man Gemeindemitgliedern Nachrichten hinterlassen kann, eine Küche, und unabhängig von jeglichen Öffnungszeiten, einen umgebauten Bauwagen, in dem jeder meditieren, beten, für sich sein kann.
Pastor der Gemeinde ist heute Daniel Mohr und Sven Schneider unterstützt ihn als Diakon. Zum Jubiläum ist der erste Pastor der Gemeinde, Gregor Helms, aus Jever angereist. Eine Pinnwand zeigt Erinnerungen aus den letzten 50 Jahren. Die Evangelische Freikirchliche Gemeinde ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts, die sich jedoch nicht aus Steuergeldern, sondern ausschließlich aus Spenden finanziert. Besucher sind immer willkommen. Zeit für eine Tasse Kaffee sollten sie jedoch mitbringen.