Offener Brief „Der Abriss ist falsch!“
Mettmann · In einem offenen Brief, u. a. an die Bürgermeisterin, die Ratsfraktionen und Denkmalbehörden, wendet sich der Mettmanner Architekturpublizist und Ausstellungskurator Klaus Englert zusammen mit auch internationalen Fachkollegen gegen den vom Stadtrat entschiedenen Abriss der Neandertalhalle. Wir drucken Auszüge.
„Der Mettmanner Stadtrat hat für den Abriss der denkmalgeschützten Neandertalhalle gestimmt und damit die Vorgaben der Stadtverwaltung übernommen. Doch das ist der falsche Schritt, weil er die beträchtlichen ökologischen Folgelasten außer Acht lässt. Umbau und Umnutzung des Bestandsgebäudes müssten auf der Tagesordnung stehen, nicht der Abriss. Das hat auch der Landschaftsverband Rheinland (LVR) empfohlen. Die Landesdenkmalbehörde sieht in dem Gebäude ein ‚einzigartiges Werk der Architekturgeschichte‘, positionierte sich ‚klar für den Erhalt der Stadthalle‘ und regte zum An- und Weiterbauen an.
Bei der Stadtverwaltung scheint die Empfehlung auf taube Ohren zu stoßen. Damit verstößt sie gegen Einwände, die von zahlreichen Fachverbänden geäußert wurden. Sogar die EU-Kommission hat sich in Gestalt des Green Deal auf eine nachhaltige Bauwirtschaft verpflichtet. Der Abriss widerspricht auch dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung, der anstrebt, ‚im Gebäudebereich zu einer Kreislaufwirtschaft zu kommen.‘ Er läuft ebenso dem jüngsten NRW-Koalitionsvertrag zuwider, der eine ‚Umbaukultur als gelebte Verantwortung für Nachhaltigkeit‘ fördern will. Diese ‚neue Umbaukultur‘, die jetzt auch von der Stiftung Baukultur gefordert wird, setzt sich zusehends in der deutschen Politik durch. Nur in Mettmann ist man davon unbeeindruckt.
In der heutigen Zeit auf Abriss und Neubau zu beharren, bedeutet: Sich mehr von den durch Wirtschaftskrise und Krieg gestörten Absatzmärkten abhängig machen und die Risiken zu erhöhen. Diese Gefahr muss vermieden werden.
Als Unterzeichner des Offenen Briefs wenden wir uns gegen den leichtfertigen Abriss, wir befürworten den Erhalt der bestehenden Bausubstanz der Neandertalhalle und ein nachhaltiges Weiterbauen. Der investorengetriebene Neubauwahn verletzt die Kultur des Pflegens und Reparierens.
Die Stadtverwaltung missachtet eine von ihr selbst in Auftrag gegebene Bürgerbefragung vom 5. August .2017, in der sich bescheidene 11 Prozent für einen ‚Abriss mit Ersatzhalle‘ aussprachen. Dagegen votierte die große Mehrheit der Befragten – 35 Prozent – für die ‚Investition in den Bestand‘.
Kommt es tatsächlich zum Abriss der Stadthalle, dann ist die Freisetzung klimaschädlicher Treibhausgase die Folge, die 2021 um 4,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind. Da hilft es auch nicht, einen klimaneutralen Neubau zu fordern und zu meinen, damit ließe sich das ‚grüne‘ Gewissen beruhigen. Es hilft auch nicht, der Mär zu verfallen, der Bauschutt werde recycelt. Tatsache ist, dass nur 7 Prozent des Bauschutts in einem Neubau wiederverwertet werden. Der Neubau wäre keine Alternative. Denn der würde ein Bauwesen bestärken, das für 60 Prozent des weltweiten Ressourcenverbrauchs steht.
Im Mettmanner Einzugsgebiet gibt es zahllose Beispiele für die erfolgreiche Umnutzung von Bestandsbauten. Ein Beispiel unter vielen: Die ‚Kohlenwäsche‘ auf der Essener Zeche Zollverein beherbergt heute das Ruhrmuseum und gehört zu den spannendsten Museen in NRW. Noch in den 1980er Jahren sollte das Fabrikgebäude abgerissen werden, heute ist es Weltkulturerbe. Das alles ist möglich. Warum nicht auch eine Umnutzung der Mettmanner Stadthalle?
Stadtverwaltung und Stadtrat blenden völlig das architektonische Umnutzungspotential der Neandertalhalle aus. Man folgt lieber dem Gutachten der Symbios-Beratungsgesellschaft, die den Aspekt der Umnutzung fast völlig ausklammert und dagegen auf die Entwicklung durch Immobilien-Investoren setzt. Aber wer garantiert, dass danach nicht die sattsam bekannte Investorenarchitektur entsteht, die bis heute ganze Stadtlandschaften verschandelt?
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, sehr geehrte Damen und Herren des Stadtrats, verbauen Sie nicht die Chancen für eine nachhaltige, umweltgerechte und vernünftige Mettmanner Stadtpolitik.“