Buchvorstellung Wohnen wird flexibler
Mettmann · Als ein befreundeter Hamburger Architekt den Mettmanner Autor und Architekturkritiker Dr. Klaus Englert kürzlich besuchte, fiel dem besonders auf, wie viele Flächen in der Kreisstadt versiegelt sind. Man könnte auch sagen, die Mettmanner Innenstadt ist eine Betonwüste mit dem Charme des Baustils der 70er Jahre.
Bevor jetzt einige von Ihnen aufschreien „ja, aber Moment mal“ nehmen wir es direkt vorweg: Mettmann hat natürlich auch sehr viele schöne Ecken. Beispielsweise die Oberstadt oder aber auch die grünen und ländlich anmutenden Außenbezirke. Gar keine Frage. Aber, wenn auch der überzeugte Ur-Mettmanner mal ganz ehrlich zu sich ist - schön im Sinne von ästhetisch - ist die Mettmanner Innenstadt wahrlich nicht. Die Häuser, die man hier findet, wenn man mal seinen Blick rund um den Jubiläumsplatz schweifen lässt, sind eher funktional gebaut. Quadratisch, praktisch, gut eben. Nach langem Hin und Her wurde vor einigen Jahren die Verkehrsberuhigung der Innenstadt durchgesetzt und seitdem flankiert nur der Bus- und Taxiverkehr das Herzstück der City - den Jubi. Trotzdem blickt man hier nach wie vor auf viel zu viel Beton und zu wenig Grün.
„Mettmann ist immer noch die autogerechte Stadt wie sie schon einst nach dem Krieg war“, sagt Dr. Klaus Englert. Der Architekturkritiker und Autor des Buches „Wie wir wohnen werden“, erschienen im Reclam-Verlag, wünscht sich, die Flächenversiegelung in der Stadt aufzubrechen, ein vernünftiges Mobilitätskonzept auf die Beine zu stellen, eine City-Maut für eine fußgängergerechte Stadt, damit man viele Stellen in der Stadt auch gut zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen kann. Aber das ist nur ein Aspekt, den Dr. Klaus Englert in den Fokus rückt. Ein weiteres wichtiges Anliegen ist dem Mettmanner das Stichwort „bezahlbarer Wohnraum“. „Wenn ich aus meinem Bürofenster hinabblicke, dann sehe ich auf der linken Seite drei ganz normale Wohnhäuser und dazwischen 15 Autogaragen. Wenn man die nun ersetzen würde, hätte man reichlich Platz für zusätzlichen und bezahlbaren Wohnraum. Das sind die Absurditäten in einer ganz normalen deutschen Kleinstadt“, schmunzelt Dr. Klaus Englert.
In seinem Vorwort aus „Wie wir wohnen werden“ sucht Dr. Klaus Englert Gründe für die unaufhaltsame Preisspirale bei Miet- und Eigentumswohnungen, er spricht davon, dass selbst die gesetzlich wirksame Mietpreisbremse den steigenden Grundstückspreisen in den Großstädten kaum etwas entgegen zu setzen hat. „Das wird so lange bleiben, wie es die gesetzlichen Regelungen erlauben, Grund und Boden - bar jeder Sozialbindung - als Spekulationsmasse zu behandeln“ heißt es in seinem Buch. „Während börsenorientierte, globale Immobilienfonds den Markt erobern und die Bodenpreise explodieren lassen, wachsen zusehends die Stadtviertel, die für Normalverdiener zeitlebens unerreichbar bleiben werden“, so Dr. Englert. Als Alternative nennt er die Variante, wenn Kommunen sich beispielsweise dazu entschließen, über Erbbaurecht bezahlbare Immobilien an Baugemeinschaften und Baugenossenschaften weiterzugeben, die sie auf dem freien Markt niemals erhalten hätten. Auf diese Weise wird „Wohnen“ wieder bezahlbar. Das genossenschaftliche Wohnen erlebe, so Englert, in der Schweiz, in Spanien und Deutschland gerade eine Renaissance. Auch müssen laut Klaus Englert die Wohnungen an die Bedürfnisse der heute lebenden Menschen angepasst werden. Hier fallen die bekannten Forderungen: Für mehr Menschen mit weniger Material bauen und so schnell wie möglich auf fossilie Energieträger verzichten. „Der Mensch lebt heute viel mobiler und flexibler, als das vielleicht unsere Eltern oder Großeltern taten.“
Die älteren Generationen klammerten sich stets an die Ziele: Mein Haus, mein Auto, meine Familie. Wer das nicht erreichte, der hatte im Leben versagt. Doch schaut und hört man sich bei den jüngeren Generationen mal so um, dann merkt man schnell, dass es hier nicht mehr so stark um den materiellen Besitz geht. „Die einst ersehnte eigene Wohnung ist nicht mehr das unverrückbare Modell fürs Leben“, sagt Dr. Klaus Englert. Wir bleiben nicht mehr 30, 40 oder 50 Jahre an einem Ort. Nein, wir sind allein schon durch den Wandel auf dem Arbeitsmarkt mehr oder weniger dazu gezwungen, zu Nomaden zu werden. Fünf Jahre arbeiten in den USA, danach wieder zurück nach Deutschland, in der Regel allerdings nicht zurück an den Heimatort und wenige Jahre später folgt vielleicht schon wieder der nächste Auslandseinsatz im Job. Eigentum bindet, sagt man - doch das wollen in Zukunft wohl nur noch die Wenigsten - sich binden. „Die Mobilität wird immer größer, der Mensch immer flexibler. Wer nun neugierig geworden ist und gerne mehr zum Thema erfahren möchte, dem sei das Buch „Wir wir wohnen werden“ von Dr. Klaus Englert ans Herz gelegt.