Schaufenster-Redakteurin Tanja Bamme auf der Suche nach den Familienwurzeln in Rumänien
Mettmann · Vorurteile entstehen schnell. Ein Bericht im Fernsehen, eine Erzählung von Bekannten und innerhalb kürzester Zeit entsteht im Kopf eine Abneigung gegen etwas, was man selbst überhaupt nicht kennt.
So war es bei mir und meiner Vorstellung über das Land Rumänien. Düster, arm, dreckig, mein Bild über Rumänien war alles andere als positiv. Dass mein Vater als gebürtiger Siebenbürger Sachse vor knapp 40 Jahren selbst aus besagter Region nach Deutschland kam, habe ich meist verdrängt. Und so bin ich nicht gerade in Jubel ausgebrochen, als mein Daddy die Idee äußerte, dem Ruf des Vergangenen zu folgen und mit seinen Kindern die "gute alte Heimat" zu besuchen. Vielleicht verschob sich auch deshalb die geplante Reise seit gut drei Jahren immer weiter nach hinten.
Vergangene Pfingsten ging es dann jedoch los. Die Koffer waren gepackt, die Tickets im Handgepäck verstaut - Rumänien, wir kommen! Direktflüge von Düsseldorf nach Sibiu, dem früheren Hermannstadt, gibt es nicht, also flogen meine beiden Schwestern, mein Vater und ich mit dem Zwischenstopp Wien nach Rumänien. Vier Stunden Aufenthalt in Österreicht gaben uns genügend Zeit, über die kommenden vier Tage nachzudenken. Treffen wir Graf Dracula in Transsilvanien? Ähnelt er vielleicht sogar meinem geliebten Romanhelden aus der beliebten Biss-Reihe? Spaß muss sein!
Bereits am Flughafen in Sibiu begrüßte uns Rumänien mit viel Sonne und angenehmen 25 Grad. Eine echte Wohltat, hatten wir Deutschland doch noch mit Steppjacken und dicken Socken verlassen. Auch die kurze Reise zum Hotel erwies sich als sehr aufschlussreich. Wo waren denn all der Unrat, der Dreck und die zerstörten Häuser? Zudem entriss man uns auf offener Straße nicht direkt Handtaschen und Rucksäcke. Meine Befürchtungen und Ängste waren schon nach fünf Minuten über Bord geworfen.
Von der Freundlichkeit der Rumänen einmal ganz abgesehen - da darf sich so manch Deutscher gerne eine Scheibe abschneiden - war es vor allem die Landschaft, die mich innerhalb kürzester Zeit in ihren Bann zog. Die Berge der Karpaten thronen wie Riesen über den Städten. Überall gibt es Wälder, Wiesen und ganze Landzungen, die völlig unberührt sind. Mir fiel sofort auf, dass die Menschen in Rumänien noch völlig im Einklang mit der Natur leben. Die Familien bewirtschaften nur den Platz, den sie wirklich zum Leben brauchen! Keine Konsumwelt, kein Konkurrenzdenken zwischen Nachbarn. Hier gibt es noch eine Welt voller Achtung vor der Umwelt.
Auch die Städte der ehemaligen deutschen Auswanderer, der Siebenbürger Sachsen, sind noch in ihrem Ursprung erhalten. Natürlich könnte man einige Fassaden erneuern und modernisieren, aber sicher fehlt dafür einfach das notwendige Kleingeld. An Charme mangelt es den Städtchen und Dörfer allerdings nicht. Die westliche Konsumwelt hat hier noch keinen Einzug gehalten. An jeder Ecke wartet ein schnuckeliges Lokal oder eine gut bestückte Brasserie auf Einwohner und Touristen. Gesprochen wird nicht selten deutsch. Auch die Speisekarten sind häufig übersetzt.
Die Erinnerung an die deutschen Wurzeln ist an jeder Ecke spürbar. Ob es die protestantischen Kirchen mit ihren weitläufigen Kirchenschiffen sind oder das Rathaus im romantischen Stil - die Deutschen haben die Kultur der Städte in Siebenbürgen stark geprägt und darauf sind die Rumänen heute noch stolz.
Mein persönlicher Höhepunkt war der Besuch am Bergsee Balea Lac. Auf 2000 Meter Höhe, erreichbar nur mit einer etwas wackeligen Gondel, wartet ein echtes Naturwunder auf die Besucher. Bei unserem Besuch Mitte Mai lag sogar noch Schnee am Berggipfel, obwohl die Temperaturen mit knapp 15 Grad nicht darauf hindeuteten. Kleiner Geheimtipp: Bei schönem Wetter sollte man als Tourist den Wanderweg wählen. Er führt an Wasserfällen vorbei, schlängelt sich durch idyllische Nadelwälder und am Wegesrand gibt es urige Hütten. Dort zeigt sich Rumänien von seiner ursprünglichsten Seite!
Für mich steht fest, ich werde Rumänien wiedersehen und bin stolz, meine Wurzeln in einem so schönen Land gefunden zu haben.