Thomas Küppers (Kreis-Piraten): "Digitalisierung und Industrie 4.0 in den Mittelpunkt stellen"

Kreis · Thomas Küppers, Gruppensprecher der Piratengruppe im Kreistag Mettmann und 1. Vorsitzender der Neue Liberale NRW, schlägt in seiner Haushaltsrede vor, die Digitalisierung und Industrie 4.0 stärker in den Mittelpunkt zu stellen.

Hier die komplette Haushaltrede:

"Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrte Damen und Herren,

meine Kreistagsrede möchte ich unter das Motto stellen:

Aufbruch vom sicheren Hafen - hin zu neuen Ufern

Seit rund 1 1/2 Jahren gibt es die Gruppe Piraten im Kreistag Mettmann.

Erlauben Sie mir ein erstes kurzes Statement über diese Zeit: Uns wurde im Kreistag sehr viel Vertrauen entgegengebracht und wir sind dankbar für das konstruktive Miteinander. Besonders danken möchte ich auch in dieser Rede den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung und im besonderen dem Büro des Landrats.
Frau Brauer, Frau Schäfer und Frau Grassberger sowie die anderen hier in der Verwaltung Tätigen waren immer mit Rat und Tat zur Stelle.

-->Unterlagen wurden unserer Gruppe stets vollständig und pünktlich zur Verfügung gestellt.
Dies ist in anderen Verwaltungen keine Selbstverständlichkeit. Persönlich möchte ich mich auch bei der IT Abteilung bedanken. Sie mussten unsere sehr umfangreiche Anfrage zu den IT-Kosten bearbeiten.
Vielen Dank - das hat uns sehr geholfen.

Und damit sind wir schon beim Thema Haushalt.

Wir Piraten halten es für grundsätzlich richtig, Sparpotentiale zu identifizieren, daher unterstützen wir selbstverständlich die strategische Richtung, die der Kreis einschlägt. Wir glauben allerdings, da geht noch mehr.
Die Möglichkeiten der neuen Technologien werden noch nicht konsequent genug genutzt. Im Großen und Ganzen ist aber der Kreis Mettmann auch in diesem Bereich bereits auf einem viel besseren Weg als die meisten uns bekannten Kommunen.

So haben wir die Ergebnisse der Anfrage IT-Kosten analysiert und sind zum Schluss gekommen, dass es sich dabei - für einen Betrieb mit 1400 Mitarbeitern - um ein sehr akzeptables Ergebnis handelt (1).

Durch neue Technologien besteht die Möglichkeit, effizienter zu arbeiten und Kosten zu sparen.
Wir werden daher einen Vorschlag erarbeiten und diesen zu Jahresbeginn mit den Verantwortlichen in der Verwaltung besprechen.

Dass der Großteil der Bauvorhaben des Masterplan Neanderthal erst später realisiert werden soll, begrüßen wir.
Aufgrund der aktuellen Haushaltslage und vieler schwer planbarer Faktoren halten wir dieses Vorgehen für angebracht.
Wir stehen weiter hinter der Umgestaltung des Neandertals und werden uns dafür einsetzen, dass aufgeschoben nicht aufgehoben ist.

Im Vorfeld haben wir uns darauf verständigt, die Haushaltsreden kürzer zu gestalten. Daher beende ich hier den ersten Teil meiner Rede mit der Erklärung:

Die Gruppe Piraten wird dem Haushalt zustimmen, möchte aber gleichzeitig aufgrund der Personalaufstockung rund um die Flüchtlingsfrage an den Kreis apellieren, auch den Kommunen im Haushaltssicherungskonzept eine Aufstockung in diesem Bereich nicht zu verwehren, da die Personalsituation auch in vielen kreisangehörigen Städten angespannt ist.


Nun kommen wir zu dem Teil der Rede, der mir persönlich immer am meisten Spaß bereitet: Die Zukunft unseres Kreises.

In meiner letzten Haushaltsrede habe ich über Friedrich Harkot gesprochen und über die Eisenbahn, die er gebaut hat - über die Prinz Wilhelm Eisenbahn, die wir heute als S9 kennen. Diesen Faden möchte ich nun aufgreifen. So wie damals die Prinz Wilhelm Eisenbahn Essen-Kupferdreh mit Wuppertal-Vohwinkel verbunden hat, verbindet uns heute das Internet mit großen Teilen der Welt.

Und genau wie damals entsteht heute durch eine neue Verbindungstechnologie - damals die Eisenbahn, heute das Internet - eine neue Industrie. Zu Zeiten unserer Urururgroßeltern entstand die Massenproduktion. Erst wurde Kleidung in Massen gefertigt, dann - mit Henry Ford und dem Model T - die ersten Autos. Heute wird nahezu alles, was wir täglich kaufen, nach diesem Prinzip - der Massenproduktion - hergestellt. Dies ist die Grundlage für unsere heutige Konsumgesellschaft.

Die Frage, die sich uns nun stellt, ist: Wie wird das Internet in Zukunft die Wirtschaft verändern?

Wir sind bereits auf dem Weg in eine Industrie, die Individualisierung und Kundenwünsche in den Mittelpunkt stellt - ja sogar erst wieder ermöglicht - und die das Versprechen mit sich bringt, dass wir mehr Produktion vor Ort ansiedeln können.
Der Trend der Auslagerung von Arbeit in Billiglohnländer wird nicht nur gestoppt, sondern sogar umgedreht, die Umwelt durch wesentlich kürzere Wege deutlich entlastet.

Ich möchte dies an einem Beispiel verdeutlichen:
Stellen wir uns vor, wir würden einen Neandertal-Mammut als "gegossene" Spielzeugfigur anbieten wollen.

Nach dem bisherigen Produktionssystem würden wir als erstes eine Gießform für circa 10.000 € erstellen lassen.
Anschließend können wir dann unsere Spielfiguren in großen Stückzahlen gießen, für circa 20 Cent das Stück.
Verkauft würde sie dann an den Endkunden für 10 €.

Im 3D-Drucker können wir die gleiche Spielfigur herstellen lassen. Jede Spielfigur würde dann 10 € kosten.
Nun der Unterschied: Wir können die Spielfigur an die individuellen Wünsche jedes einzelnen Käufers anpassen.

Dadurch, dass das Modell zunächst in digitaler Form vorliegt, kann der Kunde selbst sehr einfach einzelne Merkmale, wie das Gesicht oder die Ohren, verändern, einen Schriftzug hinzufügen oder das Modell größer oder kleiner herstellen. Die Produktionskosten verändern sich dadurch so gut wie nicht und werden immer noch um die 10 Euro liegen. Der Kunde erhält ein individualisiertes Einzelstück, aber auch wir als Hersteller haben einen großen Vorteil: Wir können diese Figur ohne viel Aufwand hier vor Ort herstellen lassen - hier im Kreis Mettmann - und wir sparen uns dadurch Versandkosten und tun auch etwas für die Umwelt. Die neuen Produktionsmethoden bringen noch einen weiteren Vorteil mit sich: Bei 3D-Druckern fallen die Löhne viel weniger ins Gewicht, als es im Bereich der Massenproduktion der Fall ist. Das macht die Produktion vor Ort wesentlich attraktiver.

Wenn wir uns dieser neuen technologischen Herausforderung konsequent stellen, werden wir wieder konkurrenzfähig zu Billiglohnländern selbst in Produktionsbereichen, die wir heute für verloren halten. Ich zitiere Chad Dicherson, den Chef von Etsy - einer sehr erfolgreichen Internet-Plattform für Kleingewerbetreibende im Bereich Handwerkskunst.
Auf der ersten Konferenz der Firma sagte er Folgendes: Über Jahrzehnte hinweg lag der Fokus stur auf Wirtschaftswachstum und großindustriellem Denken. Dadurch haben wir heute den Kontakt zur Natur, zu unseren Kommunen und den Menschen sowie den Prozessen hinter den Objekten in unserem Leben weitgehend verloren.
Wir halten dies für unethisch, unhaltbar und nicht lustig.

Der Aufstieg des kleinen Gewerbes weltweit gibt uns jedoch wieder Hoffnung, und wir erkennen darin echte Chancen: Eine Chance für uns, Erfolg auf andere Arten zu messen… Eine regionale und lebendige Wirtschaft aufzubauen und vor allem eine beständigere Zukunft zu schaffen.

Kurzum: Weniger Massenproduktion - hin zu hochwertigen, an die individuellen Wünsche angepassten und zu vernünftigen Preisen angeboten Produkten, die lokal produziert werden.

Nach all dem Lob für die neuen Technologien ist es mir wichtig anzumerken: Die neuen Produktionsmethoden im Bereich 3D-Druck werden die alten Massenfertigungsprozesse nicht ersetzen, sondern sie um ganz neue Möglichkeiten ergänzen.

Ich denke, das müssen wir immer wieder verdeutlichen, damit in der Bevölkerung nicht unnötig Ängste entstehen.

Leider wird die Digitalisierung oftmals als ein Kampf zwischen den Generationen dargestellt.
Erlauben Sie mir eine persönliche Anmerkung dazu: Das ist gefährlicher Unsinn!

Digitalisierung ergänzt unser Leben und macht es einfacher.
Es gibt nicht den Weg der Alten und den Weg der Jungen!

Nur weil jemand mit Smartphones aufwächst, bedeutet das nicht, dass ihm das Programmieren in die Wiege gelegt wurde und nur weil jemand geboren wurde, bevor es PCs gab, bedeutet das nicht, dass er den Umgang mit neuen Technologien nicht erlernen kann.

Im Kreis liegt aktuell der strategische Fokus auf dem Schaffen von Arbeitsplätzen sowie dem Generieren weiterer Einnahmen über die Tourismusbranche und den Freizeitbereich.
Wir würden diesen strategischen Fokus gerne erweitern.
Daher schlage ich - als Gruppensprecher der Piraten Gruppe - vor, einen neuen Unterausschuss zu gründen zum Thema Digitalisierung und Industrie 4.0.
Wir wollen gerne mit Ihnen zusammen über Themen wie 3D-Druck, Digitale-Regionale-Märkte und andere Veränderungen durch neue Technologien reden.
Erfolg haben wir, wenn wir die Erfahrungen aller Generationen kombinieren und gemeinsam etwas von Wert schaffen.

Wir Piraten wollen Ihnen dabei gerne als Impulsgeber dienen und uns lösungsorientiert einbringen, damit der Kreis rechtzeitig gewappnet ist für die Herausforderungen der Zukunft.

Denn diese Zukunft wartet nicht auf uns und auch hier gilt, wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte.


(1) Aussage beruht auf eigener Erfahrungen sowie dem Benchmarking-Report des Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)
http://www.bme.de/fileadmin/_horusdam/1644-BME_IT-Leistungen_Leseprobe_2015.pdf
Die Kosten pro Mitarbeiter 385,39 Euro

(Schaufenster Mettmann)