LVR-Direktorin bedauert Bundestagsbeschluss "Gesetzesänderung schützt Demenzkranke unzureichend vor Medikamentenversuchen"

Kreis · "Es besteht die Gefahr, dass nicht einwilligungsfähige Menschen zum Nutzen anderer instrumentalisiert und benutzt werden." Ulrike Lubek, Direktorin des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) hatte bereits am 3. November auf Initiative des Gesundheitsausschusses der Landschaftsversammlung in einem offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und die Abgeordneten des Deutschen Bundestages vor einer Gesetzesänderung gewarnt.

Diese soll Arzneimittelversuche an demenzkranken Menschen erleichtern. In Berlin wurde heute das entsprechende Gesetz beschlossen. In seiner Sitzung am 28. Oktober 2016 hatte der LVR-Gesundheitsausschuss die Gesetzesänderung deutlich kritisiert und auf die Konsequenzen der hingewiesen.

Prof. Dr. Jürgen Wilhelm, Vorsitzender der Landschaftsversammlung Rheinland und Ulrike Lubek ziehen die Parallele zu den aktuellen Berichten über Arzneimittelversuche an Kindern und Jugendlichen: "Durch eine wissenschaftliche Studie haben wir vor wenigen Wochen erfahren, dass zwischen 1950 und 1970 in tausenden Fällen bundesweit Arzneimittel an Kindern und Jugendlichen getestet wurden, die in Psychiatrien, Jugendheimen und Behinderteneinrichtungen gelebt haben. Diese Experimente, mit teils verheerenden Folgen für die Opfer, wurden mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne die Erlaubnis der Sorgeberechtigten und ohne eine Information der Betroffenen durchgeführt. Umso mehr bedauern wir die Entscheidung der Abgeordneten des Bundestages. Mit ihrer Entscheidung erleichtern sie Medikamentenversuche an Menschen, die hierüber selbst nicht entscheiden können."

Neben anderen Akteuren, wie Pharmafirmen, betreffen die Vorgänge aus den 1950er bis 70er Jahren auch den LVR: insbesondere als Aufsichtsorgan über Jugendheime sowie als Träger psychiatrischer Kliniken und von Träger von Jugendhilfe-Einrichtungen. "Wir haben uns vorgenommen, auch diesen Teil unserer Verbandsgeschichte umfassend aufzuklären. Aus der historischen Verantwortung des LVR heraus sind wir besonders alarmiert, wenn es um den Versuch geht, mit welcher Begründung auch immer, sich über persönliche Einwilligungen von Patienten 'zum Gemeinwohl‘ hinwegzusetzen", betont Prof. Dr. Jürgen Wilhelm. Bereits seit den 1980er Jahren arbeitet der LVR seine Geschichte umfassend auf.

(Schaufenster Mettmann)