Gewalt gegen wohnungslose Menschen bleibt alltägliches Problem - mindestens 17 Todesfälle 2016 BAG Wohnungslosenhilfe fordert besseren Schutz für wohnungslose Menschen

Kreis · Gewalt gegen wohnungslose Menschen bleibt ein alltägliches Phänomen in unserer Gesellschaft. Laut Erhebungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG W), dem bundesweiten Dachverband der Wohnungslosenhilfe in Deutschland, gab es im Jahr 2016 mindestens 17 Todesfälle durch Gewalt gegen wohnungslose Menschen.

In acht Fällen waren die Täterinnen und Täter selber nicht wohnungslos. Seit 1989 gab es somit in Deutschland mindestens 502 Todesfälle durch Gewalt gegen wohnungslose Menschen.

Zudem gab es im Jahr 2016 mindestens 128 Fälle von Körperverletzungen, Vergewaltigungen, Raubüberfällen und bewaffneten Drohungen gegen wohnungslose Menschen in Deutschland. In 76 Fällen waren die Täterinnen und Täter selber wohnungslos, in 52 Fällen waren sie nicht wohnungslos. In den letzten Jahren sind die erhobenen Fallzahlen bei den nicht-tödlichen Gewaltfällen auf einem konstant hohen Niveau. Diese Zahlen der Gewaltfälle werden durch eine systematische Pressebeobachtung erhoben und zeigen mithin nur Mindestwerte an. Das nicht-erfasste Dunkelfeld der Gewalt gegen wohnungslose Menschen dürfte noch deutlich größer sein. In der Presse erscheinen in der Regel nur die schwereren Fälle von Gewalt.

Nicht-wohnungslose Täterinnen und Täter sind meist jüngere Männer oder Jugendliche, die zum Teil als Gruppe oder aus Gruppen heraus gewalttätig werden. Ihre Opfer sind in der Regel einzelne Männer im mittleren oder höheren Alter, die oft erkennbar schutzlos sind. Viele Opfer zeigen Gewalt gegen sich gar nicht erst an, aus Angst vor den Täterinnen und Tätern und aus mangelndem Vertrauen in die Behörden.

Bei den Gewalttaten gegen wohnungslose Menschen von Täterinnen und Tätern, die selber nicht wohnungslos sind, spielen nach Erkenntnissen der BAG W menschenverachtende und rechtsextreme Motive häufig eine zentrale Rolle. Die Täterinnen und Täter weisen dabei aber nicht notwendigerweise ein geschlossen rechtsextremes Weltbild auf und sind auch nicht unbedingt in rechtsextremen Zusammenhängen organisiert. Vorurteile und Abwertungen gegenüber wohnungslosen Menschen kommen in breiten Schichten der Bevölkerung vor. Letzteres belegen vor allem auch einschlägige Studien des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld. Unter den mindestens 179 Todesopfern rechtsextremer Gewalt seit 1990 sind ca. 20 Prozent wohnungslose Menschen.

Bei den Gewalttaten wohnungsloser Menschen untereinander spielen häufig Alkohol- und Drogenkonsum, Streit um knappe Güter des alltäglichen (Über-)Lebens und beengte Verhältnisse in den Obdachlosenunterkünften eine wichtige Rolle. Schon geringfügige Anlässe können aufgrund der schwierigen persönlichen und sozialen Lebensumstände der wohnungslosen Menschen die Gewalt untereinander eskalieren lassen.

Wohnungslose Frauen erleiden häufig auch sexuelle Gewalt. Dies geschieht u.a. im Zuge von Mitwohnverhältnissen, bei denen teilweise sexuelle Dienstleistungen als Gegenleistung für die Gewährung einer Unterkunft eingefordert werden. Aber auch in den häufig männlich dominierten Obdachlosenunterkünften und Straßenszenen kommt es zu sexuellen Übergriffen. Bei sexueller Gewalt gegen wohnungslose Frauen wird ebenfalls ein großes, polizeilich nicht bekannt gewordenes Dunkelfeld vermutet, da viele Frauen Angst vor den Tätern und kein Vertrauen zu den Behörden haben.

Die BAG W fordert, dass Gewalt gegen wohnungslose Menschen durch präventive und nachsorgende Konzepte und Maßnahmen sowie konsequente Strafverfolgung eingedämmt werden. Vor allem müssen dringend Wohnungen für alle wohnungslosen Menschen bereitgestellt werden, denn eine eigene Wohnung bietet meist den besten Schutz vor Gewalt. In Unterkünften für wohnungslose Menschen sind ausreichend Privatsphäre und Schutz vor Diebstahl zu gewährleisten. Wohnungslose Frauen müssen sicher und in ausschließlich Frauen vorbehaltenen Unterkünften untergebracht werden können. Es ist mehr wissenschaftliche Forschung zu den Ursachen und zu Präventionsmöglichkeiten bezüglich dieser Gewalt nötig; insbesondere menschenverachtende und rechtsextreme Motive und Hintergründe der Gewalt müssen dokumentiert und wissenschaftlich sowie politisch aufgearbeitet werden. Zudem müssen mehr zielgruppengerechte Beratungs- und Präventionsangebote für Opfer sowie Therapieangebote für Täterinnen und Täter geschaffen werden.

(Schaufenster Mettmann)