Wolle kratzt! Macht das die Schafe verrückt...?
Düsseldorf · Er ist der TV-Reporter mit dem Puschelmikrofon. Alfons kann aber auch Bühne, gastiert am Freitag mit aktuellem Programm im Savoy in Düsseldorf.
Im Interview mit unserem Schwesterblatt, dem Düsseldorfer Anzeiger, spricht der gebürtige Pariser über glückliche Fügungen zwischen Tontechniker und Jacke, absurde Interview-Fragen und den Terror in seiner Heimatstadt.
Alfons, mit sechs Jahren haben sie zu Weihnachten einen Kassettenrekorder geschenkt bekommen. Den nutzten Sie, um anstelle eines Schul-Referats über die Pariser Metro eine Audio-Reportage aus einem Führerstand des Zuges aufzunehmen. Ihre Mitschüler und Lehrer sollen begeistert gewesen sein. Was war darauf zu hören?
"Ich dachte mir, statt ein Referat zu schreiben, nehme ich das Ding einfach mal mit. Dann habe ich in der Metro-Station vorne beim Fahrer geklopft und gefragt, ob ich mitfahren kann. Er sagte ja. Ich bin zweimal die gesamte Linie mit ihm zusammen gefahren, habe ihn interviewt: Was ist das Besondere an dem Beruf, was passiert wenn, was bedeutet der Knopf…? Am Ende durfte ich sogar eine Station ganz alleine fahren. Das war alles auf dem Band. Ich habe den Beitrag geschnitten, ihn dann vor der Klasse, natürlich mit ein paar Bemerkungen zwischendurch, präsentiert. Ja, das war ein großer Erfolg."
Unorthodoxes Vorgehen wurde schließlich auch beruflich Ihr Ding! Übers Radio in Frankreich kamen Sie nach Deutschland, arbeitetenin der Redaktion von "Kalkofes Mattscheibe", später fürs ARD-Satireformat "Privatfernsehen", im Morgenmagazin oder als WM-Berichterstatter 1998 in Frankreich. Eine Karrierebeschleunigung, aus der schließlich Alfons hervor ging? Seine Geburt hatte mit einem Wolkenbruch zu tun…
"Auch, ja! Es war aber vor allem die glückliche Fügung zwischen dem Auftauchen einer orangenen Jacke und eines missmutigen Tontechnikers mit dem Puschel-Mikrofon."
Erzählen Sie!
"Die Jacke hatte ich in einem Kostümfundus entdeckt. Ich zog sie an und hatte sofort das Gefühl — da ist etwas passiert. Mittlerweile kann ich sagen: da ist Alfons geboren. Ich hatte einfach das Bedürfnis, etwas auszuprobieren, rief einen Kameramann an und sagt ihm: "Morgen drehen wir, bring einen Tontechniker mit."
Klingt wagemutig?
Es kam noch besser. Unser eigentlicher Tonmann konnte nicht. Der andere entpuppte sich als nerviger Typ, der ständig meckern musste: Ich hätte kein Konzept, so könne er nicht arbeiten. Es stimmte ja, ich hatte kein Konzept. Ich sprang zwischen den Leuten hin und her. Mein Kameramann machte alles mit. Schließlich schnappte ich mir das Puschel-Mikrofon und sagte: "Ich mach es selbst…"
Gute Entscheidung…
"Scheint so! Ich hatte mir in der Nacht zuvor schon ein paar Notizen gemacht, was könnte ich die Leute denn mal so fragen. Die Blätter hatte ich auf ein Klemmbrett befestigt. Dann gab es plötzlich ein großes Gewitter. Meine Haare und das Puschelmikrofon wurden pitschnass, meine Zettel total unlesbar. Ich improvisierte! Am anderen Tag habe ich es mir angeguckt und ich fand es gut."
Ihr neues Format wird schnell zur Marke. Der etwas trottelig wirkende Exil-Franzose stellt Menschen auf Marktplätzen oder in Fußgängerzonen seltsame Interviewfragen. Es treibt immer wieder absurde Blüten. So fragen sie etwa für das Satiremagazin "Extra3" zwei Jugendliche sinngemäß folgendes: "Eine siegreiche Armee marschiert in eine Stadt ein. Wer darf zuerst die Frauen vergewaltigen? Die Offiziere oder die einfachen Soldaten?" Die endlosen Sekunden, in denen die jungen Leute darüber debattieren, wer denn nun das Vorrecht habe, sind fantastische Unterhaltung. Wie viele Versuche braucht Alfons, um solche Highlights in den Kasten zu bekommen? Wie wichtig ist dabei auch Alfons' Attitüde?
"Ich brauche viele Versuche! Im Schnitt muss ich zehn Stunden drehen, um drei Minuten Film zu haben. Ich glaube zwar, dass meine Attitüde schon sehr wichtig ist. Eigentlich spreche ich aber eher immer von der Magie des Puschelmikrofons. Die Leute vergessen darüber mitunter die Kamera und reden dann ganz unverstellt, wie am Stammtisch oder zwischen Freunden. Das mag ich! Niemand gibt sich intelligenter als man tatsächlich ist. Wir alle haben unsere blöden Seiten."
Aber die Diskussion um das Vergewaltigungs-Vorrecht verschiedener militärischer Dienstgrade ist schon ein Knaller…?!
"Unbedingt, es ist länger her, ich würde es heute aber genauso senden wie damals. Hier geht es auch in erster Linie gar nicht um die beiden jungen Mädchen, die das besprechen, sondern um das, was inhaltlich mit einer Frage möglich ist. Allerdings möchte ich niemanden vorführen. Wenn ich das Gefühl habe, das es wirklich nur auf Kosten der Interviewten ist, dann mache ich es nicht und wenn ich es doch gemacht habe, dann sende ich es nicht."
Haben Sie noch ein, zwei weitere Fragen ähnlichen Kalibers in Erinnerung, auf die die Leute geantwortet haben?
"Was ich auch toll fand, war die Frage nach der Faulheit. Wer ist fauler? Der Arbeitslose oder der Ausländer? Am Ende war es doch der Ausländer. Oder: Auf einer Agrarmesse in Berlin lautete die Frage: Wolle kratzt! Macht das die Schafe nicht verrückt? Dazu gab es auch mehrere Meinungen…"
Ist es inzwischen nicht fast unmöglich, Menschen mit derartigen Fragen ins Grübeln zu bringen, da das Format doch immer bekannter geworden ist?
"Nein, das ist zum Glück immer noch möglich!"
Mit dem Fernseh-Erfolg entstehen Solo-Programme für die Bühne, wie etwa "Wiedersehen macht Freunde", mit dem sie am 16. Januar auch in Düsseldorf gastieren. Wie funktioniert Alfons vor Live-Publikum?
"Die Menschen, die Alfons aus dem Fernsehen kennen, mögen ihn auch auf der Bühne. Und die, die ihn noch nicht kennen, sind positiv überrascht. Es gibt viele Facetten von Alfons, die man vielleicht erahnen konnte, die ich aber auf der Bühne viel besser entfalten kann. Auf jeden Fall gibt es einen Alfons, der niemanden interviewen wird. Ich erzähle eine Geschichte, die die Menschen packen soll. Ein Programm über Zusammensein und Freundschaft, durchaus auch mit nachdenklichen und melancholischen Tönen. Denn wenn die Menschen nur lachen, reizt mich das nicht. Ich möchte mehr rauskitzeln."
Sie sprechen während unseres Interviews mit französischem Akzent. Er scheint also echt zu sein?
"Jetzt strenge ich mich etwas an, um den Akzent so klein wie möglich zu halten. Vor der Kamera oder auf der Bühne muss ich jedoch entspannt sein. Mein Akzent dort ist also — wenn sie so wollen — der richtige."
Ihre Kunstfigur wurde anfangs von einem hiesigen Botschaftsangestellten aus ihrer Heimat als imageschädigend für Frankreich kritisiert. Hat der Mann sich inzwischen beruhigt?
"Das ist nur einmal passiert. Ein Berater des Botschafters hatte mich damals angesprochen. Mittlerweile gibt es einen anderen Botschafter. Ich habe seither nichts mehr gehört."
Abschließend zu den Geschehnissen in Paris. Sie sind dort geboren, haben dort ihre erste beruflichen Schritte gemacht. Sie sind selbst Künstler, arbeiten mit Zuspitzung, mit Satire. Was ist Ihnen als erstes durch den Kopf gegangen?
"Dasselbe wie allen Freunden der Demokratie. Ich war geschockt. Ich habe die Ermordeten sehr gemocht. Nicht persönlich gekannt, aber gemocht. Jeder junge Franzose hat mindestens einmal eine Ausgabe von 'Charlie Hebdot' gelesen. Diese Leute waren in meinen Augen wirklich frei in ihrer Meinungsäußerung. Ihr einziger Feind war und ist der Fanatismus. Das sind Helden und wir sind alle traurig."
Werden diese Morde Ihre Inhalte und Ausdrucksformen auf der Bühne oder vor der Kamera in irgendeiner Weise beeinflussen?
"Damit erreichen diese Fanatiker nichts außer den Tod von vielen Menschen. Und wir als Künstler als Satiriker werden uns davon nicht einschüchtern lassen. Das ist schwer, ja, weil wir auch Angst haben. Doch sie können uns nicht zensieren und unsere Demokratie zerstören…"