Umweltminister ruft zum Schutz der heimischen Artenvielfalt auf Minister Remmel: Wir müssen das wilde NRW schützen und bewahren
Kreis · Der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel hat zum Schutz der gefährdeten Tier- und Pflanzenarten in NRW aufgerufen und ein stärkeres Vorgehen gegen den weiter fortschreitenden Verlust der biologischen Vielfalt angekündigt.
"Der Artenverlust ist neben dem Klimawandel die größte Bedrohung für uns und die Art und Weise, wie wir leben werden", sagte Minister Johannes Remmel im Vorfeld des internationalen Tags der Artenvielfalt am 22. Mai 2016. Nach Angaben der Landesregierung ist der Anteil der bereits ausgestorbenen oder verschollenen Arten in NRW so hoch wie nie zuvor. Er liegt laut der aktuellen "Roten Liste der gefährdeten Arten in NRW" bei 8,2 Prozent "Wir sind dabei, die Festplatte unserer Natur unwiederbringlich zu löschen. Auch wenn wir in NRW durch erfolgreiche Artenschutz- und Naturschutzprojekte die Geschwindigkeit deutlich verlangsamt haben, schreitet auch bei uns das Artensterben voran. Diesen Verlust an biologischer Vielfalt dürfen wir nicht länger zulassen."
Insgesamt stehen etwa 45 Prozent der betrachteten Arten auf der aktuellen "Roten Liste der gefährdeten Arten in NRW". "Wir konnten zwar zwischen 1999 und 2011 eine weitere Verschlechterung bei verschiedenen gefährdeten Arten durch eine aktive Naturschutzpolitik abwenden. So sind Weißstorch, Uhu und Biber wieder an vielen Stellen im Land heimisch geworden. Trotzdem gilt weiterhin, dass etwa die Hälfte der beobachteten Tier- und Pflanzenarten bei uns in ihrer Existenz gefährdet sind — und damit auch das Wilde NRW", sagte Minister Remmel.
Aktuell stehen auf der "Roten Liste der gefährdeten Arten in NRW":
• fast 42 Prozent der Säugetierarten,
• etwa 42 Prozent der Farn- und Blütenpflanzen,
• nahezu 52 Prozent der Vogelarten,
• etwa 55 Prozent der Schmetterlingsarten
• rund 60 Prozent der Moose,
• ungefähr 71 Prozent der Kriechtiere sowie
• nahezu 52 Prozent der Wildbienen und Wespen
• etwa 31 Prozent der Fischarten.
Kiebitz droht bis 2030 auszusterben
Zu den in NRW in den letzten Jahrzehnten ausgestorbenen Arten zählen etwa das Birkhuhn, der Stör und der Ackerkohl. Andere Tierarten wie Kreuzotter, Gelbbauchunke, Mopsfledermaus und Feldhamster drohen in absehbarer Zeit zu verschwinden, wenn nicht gegengesteuert wird. Besorgniserregend ist vor allem, dass die Gefährdung typischer Arten der Feldflur und bisher ungefährdeter "Allerweltsarten" deutlich zunimmt. "Wenn sich die negative Entwicklung etwa beim Kiebitz weiter fortsetzt, wie in den letzten Jahren, dann könnte diese heimische Art um 2030 ausgestorben sein", warnte Georg Verbücheln, Abteilungsleiter für Naturschutz im Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV).
Die Ursachen des Artensterbens in NRW sind häufig menschengemacht: Hierzu gehören unter anderem die zu intensive Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen, die Zerstörung und Zerschneidung naturnaher Lebensräume und der fortschreitende Flächenfraß. So gehen täglich in NRW etwa zehn Hektar an wertvollen Lebensräumen für eine Vielzahl von Tier-, Pilz- und Pflanzenarten verloren — eine Fläche so groß wie 14 Fußballfelder.
Schutz des Naturerbes durch neues Gesetz
Die Landesregierung hat daher die Naturschutzpolitik neu ausgerichtet und dafür im vergangenen Jahr eine langfristige Biodiversitätsstrategie NRW beschlossen. Zur gesetzgeberischen Umsetzung dieser Strategie wurde das neue Landesnaturschutzgesetz erarbeitet, das die Landesregierung inzwischen ebenfalls beschlossen hat. "Damit wollen wir unser wertvolles Naturerbe schützen und die Artenvielfalt bewahren", kündigte Minister Remmel an.
Eckpunkte des neuen Landesnaturschutzgesetzes:
• Artenvielfalt braucht intakte Lebensräume
Artenvielfalt braucht intakte, weitläufige und vernetzte Lebensräume, auch um eine genetische Verarmung von Arten zu vermeiden. Daher sieht das neue Landesnaturschutzgesetz unter anderem vor, die Fläche des Biotopverbundes in NRW von derzeit zehn Prozent auf künftig 15 Prozent festzusetzen.
• Sicherung des noch vorhandenen Grünlandes in NRW
Seit 1978 hat die Gesamtfläche des Dauergrünlands in NRW um rund ein Drittel abgenommen. Mit dem neuen Gesetz soll ein weiterer Verlust dieses für die Kulturlandschaft, den Klimaschutz und die Biodiversität bedeutenden Lebensraums verhindert werden, indem grundsätzlich Dauergrünland nicht mehr in Acker umgewandelt werden darf.
• Sicherung von Naturschutzgebieten
Gestaltender Naturschutz hat sich vor allem auf landeseigenen Flächen als erfolgreich erwiesen. Für ökologisch wertvolle Flächen, insbesondere in Naturschutzgebieten, soll es daher ein Vorkaufsrecht des Landes geben, dass auch zu Gunsten von landesweit tätigen Naturschutzstiftungen privaten Rechts ausgeübt werden kann.
• Schutz der "Urwälder von morgen"
Das Land hat in den letzten Jahren auf den eigenen Staatswaldflächen rund 100 Wildnisentwicklungsgebiete ausgewiesen, in denen die Natur dauerhaft sich selbst überlassen wird. Diese nicht bewirtschafteten Rückzugsgebiete für bedrohte Arten sollen auf Dauer gesetzlich geschützt werden.
• Natur ist Heimat — Stärkung der ländlichen Räume
Vorgesehen ist, wertvolle Naturmonumente von nationaler Bedeutung auszuweisen. Durch die Ausweisung solcher Monumente soll das Interesse für besondere Naturschätze der Erdgeschichte geschaffen und diese für die Menschen erlebbar gemacht werden.
Erfolge beim Arten- und Naturschutz
Dass ein aktiver Naturschutz wirkt, zeigen die aktiven und erfolgreichen Wiederansiedlung von Tieren wie dem Lachs, dem Maifisch, dem Biber oder dem Wanderfalken. Es kehren aber auch viele Tiere ohne Hilfe des Menschen zurück, wie zum Beispiel der Fischotter, der selbständig den Weg zurück ins Münsterland gefunden hat. Auch der Wolf könnte sich wieder in NRW ansiedeln. Die Rückkehr von Tierarten wird möglich, wenn deren Lebensräume wieder hergestellt worden sind und damit die Tiere die entsprechenden Rückzugsräume für ein Überleben in möglichst naturnahen Biotopen finden. So konnten beispielsweise durch die Ausweisung von rund 100 Wildnisgebieten in den Wäldern des Landes und weiteren Schutzgebieten wichtige Lebensräume für gefährdete Arten geschaffen werden. Einst ausgestorbene Tier- und Pflanzenarten sind mittlerweile wieder in Nordrhein-Westfalen heimisch und in ihrem Bestand gefährdete Arten konnten sich wieder erholen. So zählen die Bachforelle und viele Libellenarten zu den Gewinnern der Renaturierung und Verbesserung der Gewässergüte vieler Fließgewässer. "Die Verbesserung unserer Naturräume, insbesondere der Gewässer- und Waldlebensräume zeigt Erfolge", erklärte Minister Remmel.
Weitere Informationen:
Ausführliche Informationen zur Roten Liste in NRW:
http://www2.lanuv.nrw.de/natur/arten/roteliste.htm
Web-Clip "Wildes Nordrhein-Westfalen":
https://www.youtube.com/watch?v=ik6gfDOyOfc
Web-Clip "Natur erleben: Die Naturparke in NRW"
https://www.youtube.com/watch?v=KKm72NW9w4M
Flyer "Die neue Naturschutzpolitik in NRW" (e-paper)
https://www.umwelt.nrw.de/extern/epaper/2014/neue_naturschutzpolitik/#/1/
Broschüre "Wildes Nordrhein-Westfalen":
https://www.umwelt.nrw.de/mediathek/broschueren/detailseite-broschueren/?broschueren_id=6439&backId=147&cHash=c039bc93e08acf049f03134073bd9f5b
Broschüre "Die Naturparke in NRW — Der Schatz vor Deiner Tür"
https://www.umwelt.nrw.de/mediathek/broschueren/detailseite-broschueren/?broschueren_id=1263
Rote Liste der gefährdeten Tier- und Pflanzenarten in NRW — Nach Kreisen und Kommunen aufgeschlüsselt
Zusammen mit dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) und dem Landesbetrieb Wald und Holz NRW hat das Umweltministerium für alle Kreise und kreisfreien Städte in Nordrhein-Westfalen gefährdete Tier- und Pflanzenarten identifiziert: von Aachen (Mauereidechse), Borken (Großer Brachvogel), Bielefeld (Uhu) und Bottrop (Wanderfalke) über Duisburg (Kreuzkröte) und Düsseldorf (Herbstzeitlose) und Köln (Wechselkröte/Maifisch) bis hin zu Solingen (Eisvogel) und Wuppertal (Schlingnatter).
Die 52 bedrohten oder gefährdeten Tierarten nach Kreisen und kreisfreien Städten in NRW finden Sie hier: https://goo.gl/fUW5s4
Der internationale Tag der biologischen Vielfalt wurde im Jahr 2000 durch die Vereinten Nationen eingeführt. Der Tag erinnert an den 22. Mai 1992, an dem sich die Staatenwelt in Nairobi auf das richtungweisende UN-Übereinkommen zur biologischen Vielfalt geeinigt hat. Es wurde inzwischen von mehr als 190 Vertragsstaaten unterzeichnet und gilt als eines der erfolgreichsten Abkommen der UNO. Ziel des Aktionstages ist es unter anderem, auf das weltweite Artensterben hinzuweisen, Aufmerksamkeit für den Naturschutz zu erregen und das Bewusstsein in der Bevölkerung für die Artenvielfalt in der Natur zu schärfen. "In einigen Regionen der Welt liegt die Geschwindigkeit, in der Arten verloren gehen, etwa 100 bis 1.000 Mal höher als die natürliche Aussterberate. Das ist alarmierend", sagte Minister Remmel.